Es ist 4.40 Uhr als der Wecker
klingelt. Für jemanden, der nicht gerade ein Frühaufsteher ist, eine harte
Zeit. Ich bin trotzdem ziemlich schnell aus dem Bett, da ich schon nicht
mehr so richtig fest geschlafen habe. Und das, obwohl ich relativ spät ins
Bett bin und lange bis zum Einschlafen gebraucht habe (fremdes Bett und wohl
doch eine gewisse Aufregung vor dem großen Ereignis).
Da es Samstag ist und somit eine
schlafdefizitäre Arbeitswoche hinter mir liegt, bedeutet das, dass ich
reichlich unausgeschlafen in das große Abenteuer Rennsteiglauf-Supermarathon
gehe. Aber so ist es nun und der entscheidende Faktor wird das schon nicht
sein, denke ich.
Also kurz unter die Dusche, die
zurecht gelegten Laufsachen anziehen, Trainingsanzug drüber, und ab zum
Frühstück. Frühstück im Hotel um 5 Uhr? Ja, für Rennsteigläufer wird
offenbar alles gemacht. Ich hatte der Wirtin am Vorabend ja vorgeschlagen,
dass sie mir eine Thermoskanne mit Kaffee und zwei Semmeln hinstellt, da ich
eh nicht viel frühstücken kann. Aber damit war sie absolut nicht
einverstanden: sie hat um vier Uhr eh schon drei Läufer und dann ist es
egal. Nun, mir war’s auch egal.
Ich verstehe nur nicht, warum die
anderen schon so zeitig aufstehen. Aber meine Frau erfährt später, dass die
drei eine Zeit unter sechs Stunden anstreben. Wenn man bedenkt, dass die
spätere Siegerzeit 5 Stunden 27 Minuten war, müssen sie richtige
Spitzenläufer gewesen sein. Dann wird es schon verständlich, dass sie das
Frühstück mit entsprechendem Abstand zum Start um 6 Uhr einnehmen wollen. Zu
Gesicht bekomme ich die drei allerdings nicht.
Im Frühstücksraum treffe ich dann
aber nicht die Wirtin, sondern ihren Mann. Als ich ihn bedaure, dass er so
zeitig aufstehen musste, erzählt er, dass er überhaupt noch nicht im Bett
war. Um 3 sind die letzten gegangen, meint er, um 4 waren die ersten wieder
da, jetzt ich, und um 6 kommen schon wieder welche. Na ja, nicht mein
Problem, denke ich, ich hab andere Sorgen.
Zum Beispiel das Wetter. Die ganze
Woche über war es ein Auf und Ab mit den Wetterprognosen: mal heiß, bis 28
Grad, dann wieder kühl und regnerisch. Heiß sollte es ja nicht gerade sein,
wenn man so lange laufen muss, und Regen ist auch nicht so toll, zumindest
nicht wenn er länger andauert. Zum Schluss kristallisierte sich heraus, dass
es jedenfalls nicht heiß sein würde, dass es so ab Mittag aber regnen würde.
Als wir am Freitag auf der Herfahrt
bei bestem Wetter zum ersten mal einen lokalen Thüringer Sender im Radio
hatten, wartete ich gespannt auf den Wetterbericht. Morgens Regen, dann
Schauerwetter, relativ kühl, hieß es. Keine berauschenden Aussichten, vor
allem der Regen am Morgen gefiel mir gar nicht.
Der Blick aus dem Fenster zeigt
nicht viel, es ist noch ziemlich dunkel und wolkenverhangen. Es hat
geregnet, sagt der Wirt. Dann ist der Regen also schon da. Und es soll auch
weiter schauern und windig soll es werden, aber mit Westwind, meint er. Da
wir Richtung Osten bis Südosten laufen, würde das heißen, dass wir
wenigstens Rückenwind hätten. Ein Trugschluss, wie sich später herausstellen
sollte.
Ja, trübe Aussichten. Aber nun bin
ich hier, und selbst noch so schlechtes Wetter könnte mich jetzt veranlassen
nicht an den Start zu gehen und wenigstens mal loszulaufen. Also setze ich
mich an den Frühstückstisch, trinke Kaffee, den brauch ich zum munter
werden, esse eineinhalb Semmeln und trinke noch ein Glas Orangensaft. Mehr
schaffe ich um diese Zeit nicht und mehr wäre auch nicht angebracht wenn ich
in 1 Stunde schon am Laufen sein will.
Die Energiespeicher habe ich ja auch
schon in den letzten Tagen aufgefüllt. Vollstopfen mit Kohlehydraten ist in
den Tagen vor einem Langstreckenwettkampf angesagt. Deshalb gab es unterwegs
bei der Herfahrt auch eine schöne Brotzeit und dann waren wir nach dem
Abholen der Startunterlagen in Eisenach noch auf der Kloßparty.
Üblicherweise gibt es vor Marathonwettbewerben eine Nudelparty, um noch mal
Kohlehydrate zu tanken, in Thüringen ist es standesgemäß eine Kloßparty.
Man hat die Auswahl zwischen 2 oder
3 Klößen. Da fast alle 3 nehmen, mach ich es auch so. Dazu gibt es so was
wie Gulasch und Blaukraut. Hat gut geschmeckt, vor allem mit einem guten
Köstritzer Schwarzbier dazu.
Wir kommen kurz mit den
Tischnachbarn ins Gespräch. Rechts von mir sitzen zwei Berliner, beides
Rennsteig-Neulinge, so wie ich auch, und beide haben bisher „nur“ normale
Flachland-Marathons gemacht. Links sind zwei Oberbayern, beide ebenfalls
„nur“ mit Marathonerfahrung. Zumindest einer von den beiden macht aber auch
Bergläufe, nichts ungewöhnliches wenn man aus Berchtesgaden kommt. Da kann
ich ja mit meinem Alpin-Marathon vom letzten Jahr richtig glänzen.
Es beruhigt mich, dass morgen nicht
lauter Supercracks an den Start gehen. Ich hatte schon gehörigen Respekt vor
der Konkurrenz und befürchtet, dass bei solch einem schwierigen Wettkampf
vor allem entsprechend erfahrene Leute am Start sein werden. Ich habe mich
schon am Ende des Feldes gesehen, womöglich getrieben vom Besenwagen, was ja
auch alles noch kommen kann. Trotzdem sehe ich dem Ganzen jetzt etwas
gelassener entgegen.
Ja,
das knappe Frühstück ist also beendet. Noch mal hoch auf’s Zimmer, Zähne
putzen, rasieren, die Gemahlin aus dem Bett schmeißen. Schließlich hat sie
sich bereit erklärt, mich nach Eisenach zu fahren. Da die Unterkünfte in
Eisenach frühzeitig ausgebucht waren, sind wir in Kittelsthal, einem kleinen
Ort 12 km entfernt, untergebracht. Wir haben also noch 15 bis 20 Minuten
Autofahrt vor uns.
Das Auto erreichen wir gerade noch
trockenen Fußes, dann fängt der Regen an, der uns die Fahrt nach Eisenach
begleitet. Eine scheußliche Vorstellung, schon vor dem Start tropfnass zu
sein, und das bei kühlen Temperaturen. So schnell wird man dann auch nicht
mehr trocken, selbst wenn es aufhört zu regnen. Aber im Moment sieht es eher
so aus, als ob es sich einregnet.