Am Rennsteig

 

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Bald danach erreichen wir die Einmündung in den Rennsteig. Nun macht der Rennsteiglauf seinem Namen Ehre. 7,4 km und gut 200 Höhenmeter habe ich nun geschafft und bin schon bald eine Stunde unterwegs. Trotzdem sind das gerade mal gut 10% der Gesamtdistanz.

Auf dem Rennsteig geht es Richtung Osten. Auf der anderen Seite der Straße, Richtung Westen, waren wir vor knapp einem Jahr schon mal wandernd unterwegs, als wir ein verlängertes Wochenende mit unserer Kegelgruppe in Eisenach verbrachten. Ich hatte  damals schon vom Rennsteiglauf gehört und war beeindruckt von den kräftigen Auf und Abs, obwohl dort drüben die Berge niedriger sind. So richtig vorstellen konnte ich mir das nicht, hier über so eine lange Distanz zu laufen.

Wie kommt man eigentlich dazu, so etwas Verrücktes zu machen: 72,7 km laufen und dazu noch 1500 Höhenmeter bergauf. Als ich vor dreieinhalb Jahren angefangen hatte zu laufen und das recht gut ging, kam irgendwann der Gedanke auf, ob es nicht möglich sein könnte mal einen Marathon zu laufen. Ein alter Jugendtraum, den ich längst aufgegeben hatte: zu alt, keine Zeit, zu schwer. Dann müsste ich ja erst mal 10 kg abnehmen, dachte ich, und so einfach ist das nicht. Nun, inzwischen hatte ich die 10 kg abgenommen und Marathonlaufen war nicht mehr so exotisch wie damals, sondern fast eine Massenbewegung geworden. Also warum nicht auch ich?

So lief ich vor noch nicht mal ganz zwei Jahren meinen ersten Marathon in Regensburg, im Herbst dann in München, im Frühjahr darauf in Hamburg. Dann kamen Überlegungen auf, mal was Anderes zu machen. Ich hatte von einem Alpinmarathon in Liechtenstein gelesen, d. h. 42,2 km durch die Berge mit 1800 Höhenmetern. So was Gestörtes, dachte ich im ersten Moment, als ob die Marathondistanz nicht schlimm genug ist. Schließlich bin ich lange genug in die Berge gegangen, um zu wissen was 1800 Höhenmeter bedeuten.

 

Hamburg, Frühjahr 2004

Regensburg, Frühjahr 2003             München, Herbst 2003

 

 

Berlin, Herbst 2004

Aber der Gedanke hat sich mit der Zeit festgefressen und so habe ich mich zu den anderen Gestörten gesellt und bin vor knapp einem Jahr den Alpinmarathon in Liechtenstein gelaufen. Es ging ganz gut und so dachte ich bald über Steigerungsmöglichkeiten nach, einfach um auszuprobieren, was vielleicht noch alles geht. Schließlich hatte ich inzwischen die Erfahrung gemacht, dass verblüffend viel möglich ist, wenn man sich nur ran traut

Liechtenstein, Regen- und Kälteschlacht

und bereit ist, die Vorbereitung auf sich zu nehmen.

So kam ich auf den Rennsteig-Supermarathon und fasste den Entschluss, es einfach zu probieren, wobei der Sprung vom Alpinmarathon zu diesem Lauf erheblich größer ist, als der Sprung von einem „einfachen“ Marathon zum Alpinmarathon, und der ist schon groß. Aber ich wollte es ja nur probieren und wenn es mir zu viel wird, würde ich einfach aufhören. Das wäre auch kein Problem, wobei ich natürlich schon gerne durchkommen würde.

Ja, und jetzt bin ich unterwegs bei diesem Supermarathon und nach einem kurzen Stück bergab geht es wieder bergauf. Ich konzentriere mich darauf, bloß nicht das 10km-Schild zu verpassen. Ich will endlich wissen wie ich in der Zeit liege. Schließlich taucht es auf. Die genaue Zeit habe ich zwar vergessen, aber ich bin sehr zufrieden. Ich bin nicht zu schnell, aber es ist trotzdem ein ordentliches Tempo. Das heißt, dass ich mich auf mein Gefühl verlassen kann, was gut zu wissen ist, wenn die zeitliche Kontrolle durch Kilometerangaben fehlt.

Nach 12,5 Kilometern taucht die nächste Getränkestelle auf. Ich überlege, ob ich mir schon die erste Ration Kohlehydratgel rein drücken soll. Die Kohlehydrate sind bei Langstreckenläufen der Mangelstoff. Der Körper kann nur eine begrenzte Menge speichern und die ist nach rund 30 km aufgebraucht. In Form von Fett hat man zwar mehr als genug Energiereserven zur Verfügung, aber diese können ohne Kohlehydrate nur recht ineffizient genutzt werden. Also muss man unterwegs welche zu sich nehmen, um nicht zu sehr einzubrechen (der berühmte Hungerast). Zu diesem Zweck gibt es an den Verpflegungsstellen, die erste ist bei km 17,9, Bananen, Energieriegel und ähnliches.

Ich habe bei Marathonläufen mit Kohlehydratgel als Energiequelle gute Erfahrungen gemacht. Das sind konzentrierte Kohlehydrate, die vor allem leicht verdaulich sind, denn der Magen sollte beim Laufen auch nicht allzu sehr belastet werden. Man muss sie allerdings selber mitnehmen und erhält sie nicht an den Verpflegungsstellen. Ich beschließe, hier die erste Gelration zu nehmen, um die körpereigenen Kohlehydratvorräte zu schonen. Ich werde sie später noch brauchen können.

Nachdem ich schon zwei Läufern begegnet bin, die Fuß-Fehlstellungen hatten, laufe ich nun wieder an einem vorbei, der einen extrem nach innen gekippten Fuß hat. Er läuft fast mehr auf dem Knöchel als auf dem Fuß. Auch wenn der Ehrgeiz und die Leistung von diesen Leuten  zu bewundern sind, so frage ich mich doch, ob das noch sinnvoll ist.

Es ist zum Glück immer noch trocken, der Regen hat sich erst mal verzogen. Die Temperatur ist frisch, aber zum Laufen durchaus angenehm. Von Wind ist nicht viel zu spüren, da wir durch den Wald geschützt sind. Wenn er aber doch mal rein kommt, so weht er ziemlich direkt von vorne und nicht von hinten, aus Westen, wie der Wirt prophezeit hatte.

Es geht wieder bergauf und ich habe mir nun schon angewöhnt zum Gehen überzugehen, sobald die Steigung ein gewisses Maß überschreitet. Auch die meisten anderen tun das, nur wenige laufen komplett durch. Sie sind nur geringfügig schneller und bergab überhole ich sie meist wieder. Vereinzelt gibt es zwischen anderen Läufern Diskussionen was denn nun besser ist an den Steigungen: Gehen oder Laufen.

Ich bin jedenfalls sehr überzeugt davon, dass es in meiner Leistungsklasse auf die Dauer des Laufs bezogen Vorteile bringt, wenn man an den steileren Anstiegen geht. Schließlich geht man auch nicht in gemütlichem Wandertempo den Berg hoch, sondern mit scharfem Schritt. Der Puls ist dabei auch nicht niedriger als beim Laufen auf flacheren Strecken. Ich meine, man kann aber einiges an Kraft sparen, die man in der späteren Phase sicher noch gut gebrauchen kann.

Das 15km-Schild habe ich schon hinter mir gelassen und es geht weiter bergauf, dann auch mal wieder ein Stück abwärts, wo ich es schön laufen lassen kann, hinunter zur ersten Verpflegungsstation nach knapp 18 km. Ich lasse die angebotenen Sachen aber links liegen und bleibe vorerst bei meinem Gel, trinke nur einen Becher Wasser. Das muss sein, wie schon gesagt, hat aber auch seine Konsequenzen.

Ich war noch nicht lange unterwegs heute Morgen, da musste ich schon zum ersten mal pinkeln, obwohl ich vor dem Lauf nichts mehr getrunken hatte. Und jetzt vor kurzem, nach zwei Stunden, musste ich schon zum dritten mal. Das gibt einen neuen Rekord, dachte ich mir. Der bisherige liegt bei fünf mal, aufgestellt letztes Jahr in Liechtenstein. Aber dann normalisiert es sich doch wieder und ich kann meinen Rekord letztlich nur einstellen. Pinkelrekorde! Über was man alles nachdenkt während so einem Lauf. Hier im Wald ist es auch kein Problem. Bei einem Stadtmarathon sieht es schon anders aus.

Nach der Verpflegungsstelle geht es wieder aufwärts, wenn auch nicht allzu steil. Es sind immer noch recht viele Läufer um mich herum. Das Feld hat sich erstaunlicherweise noch gar nicht so weit auseinander gezogen. Viele Gesichter kenne ich nun schon, denn naturgemäß findet man sich mit der Zeit unter Leuten wieder, die das gleiche Tempo laufen wie man selbst. Dann ist der eine mal vor einem, mal hinter einem und irgendwann kommt er wieder nach vorn.

 

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Stand: 29.09.05